1. März 2017, Besichtigung der Tunnelbaustelle der 3. A2-Röhre am Belchen

Und Kuno Lauener von Züri West singt in seinem Song „Göteborg“ wie er beim Grauholz vorbei fährt, um seinen Schatz und die Kleine am Flughafen Zürich abzuholen und ihm dabei ein neues Lied in den Sinn kommt.

Wir fahren beim Grauholz nicht vorbei, sondern laden dort noch zwei weitere LSVler auf und jetzt sind wir 20 Personen, die die Grossbaustelle „Neuer Belchentunnel“ besuchen dürfen. Eingefädelt hat das alles unser Mitglied Adrian Müller der Marti Holding AG in Moosseedorf. Die Organisatoren Silvio Bianconi und Edi Schären nahmen diesen Vorschlag gerne auf und so stehen wir nun etwas oberhalb von Hägendorf beim Tunnelportal Süd, von wo aus der neue Tunnel gegen Norden gebohrt wird.

Die heutigen zwei Röhren der A2 sind etwas über 50 Jahre alt und müssen dringend saniert werden. Statt die bestehenden Fahrbahnen zeitlich zu schliessen (befahren werden sie täglich im Schnitt von 55‘000 Fahrzeugen) und die Sanierungsarbeiten über viele Jahre umständlich durchzuführen, hat das ASTRA als Bauherrin beschlossen, eine neue Röhre bohren zu lassen, um dann den Nord-Süd-Verkehr durch den neuen Tunnel zu leiten. Im Anschluss daran werden die bestehenden Röhren saniert, wobei die heutige Nord-Süd-Röhre dann nur noch als Fluchtstollen dienen soll.

Adrian erklärt uns zu Beginn die Struktur der Marti Gruppe und wie sie sich mit ihrem dezentralen Aufbau von Mitbewerbern abhebt. Ein eindrücklicher Film zeigt uns viele Vorgänge, wie wir sie dann anschliessend in natura bestaunen können. Ein grosses Längsprofil erklärt uns den Aufbau der an dieser Stelle gut 3 Kilometer breiten Jurakette mit den unterschiedlichsten Gesteinsarten. Auf diese Besonderheiten haben die Tunnelplaner und Tunnelbauer Rücksicht zu nehmen. Hervorheben möchte ich den Opalinton. Dieser wasserundurchlässige Ton soll sich für die Lagerung stark radioaktiver Stoffe eignen. Das ENSI führt denn auch entsprechende Forschungen durch. Es ist jedoch keineswegs geplant, im Belchen eine solche Lagerstätte einzurichten.

Die Schichten, welche die Tunnelbauer am meisten fürchten sind jene des Gipskeupers. Er verhält sich absolut ruhig bis er mit Feuchtigkeit oder Wasser in Berührung kommt. Dann beginnt er sich aufzublasen wie ein Gugelhopf im Backofen. Dabei entwickelt er unheimliche Kräfte und ist an der Zerstörung vieler Bauwerke mitschuldig. Auch aus diesem Grund müssen die bestehenden Tunnels erneuert werden.

Aufgeteilt in zwei Gruppen werden wir in den Tunnel gefahren.

Die Tunnelbohrmaschine (TBM) ist schon bei Kilometer 2.1 angelangt und im Juli dieses Jahres soll der Durchstich erfolgen. Die Maschine wiegt 2000 Tonnen und ist 75 Meter lang. Der Durchmesser des Bohrkopfes misst 13.79 Meter und ist mit 79 Rollmeisseln bestückt. Bis zwei Meter an den Schild dürfen wir vorrücken und sehen wie der Bohrkopf sich dreht. Mit einem Druck, der die 8 bar in unseren Rennrad-Schläuchen um einiges übersteigt, wird er an die Felswand gedrückt. Das ausgebrochene Gestein fällt auf ein Förderband, wird auf diesem aus dem Tunnel geleitet und dort sortiert. Gewisse Gesteinsarten eignen sich als Füllmaterial im neuen Tunnel, mit dem Rest wird eine alte, nahe gelegene Tongrube ausgeebnet. Diese wird nach Abschluss der Arbeiten aufgeforstet. So erhält der Belchen oben, was man ihm unten genommen hat.

Sobald der Bohrkopf sich einige Meter in den Fels vorgearbeitet hat, werden vorgefertigte Betonelemente, sogenannte Tübbing-Ringe eingesetzt. Sie verhindern auf ein Erstes den Einsturz des Gewölbes und der Sohle. In einem weiteren Schritt erhalten die Tübbings eine Innenverkleidung mit einer wasserundurchlässigen Folie, die an den Nähten doppelt verschweisst wird. Jetzt folgt die eigentliche Armierung der gesamten Röhre, welche ihr die geforderte Stabilität verleiht. Es gilt die Vorgabe der Bauherrin einzuhalten. Vier Monate nach Ausbruch muss sich diese Stelle im Endzustand präsentieren.

Wir erhalten auch Einblick in die Kommandozentrale. Hier wird die ganze Anlage überwacht. An verschiedenen Bildschirmen kann der Operateur den Fortschritt der Arbeiten beurteilen. Auch wird hier die Lage der TBM justiert. Mittels eines Laserstrahls vom Tunnelportal her wird die Sollposition berechnet. Kleinste Abweichungen können korrigiert werden. Zum Zeitpunkt unseres Besuches lagen die Abweichungen sowohl in der Horizontalen wie auch in der Vertikalen bei wenigen Millimetern.

Auf der ganzen Baustelle arbeiten nur gerade 160 Mitarbeiter. Der grosse Chrampfer ist die TBM. Wer vor kurzem den Film „Gotthard“ gesehen hat kann sich kaum vorstellen, dass sich die Tunnelbautechnik innert 150 Jahren so fundamental verändert hat. Auch für die Mineure wird heute ganz anders gesorgt. Starben im Gotthard noch viele Personen an einer Staublunge, ist hier von Staub fast nichts zu spüren. Grosse Absaugrohre direkt am Schild und dauernde, genügende Frischluftzufuhr führen zu guten Arbeitsbedingungen.

Trotzdem sind wir froh, nach der Besichtigung wieder Sonnenlicht zu sehen, die Frühlingsluft einzuatmen und uns der Ohrenpfropfen zu entledigen.

Beim folgenden Mittagessen haben wir genügend Gesprächsstoff. In einer hellen, sehr sauberen Kantine (schon eher ein gepflegtes Restaurant) werden wir verköstigt. Einig sind sich alle, das war eine Erfahrung, die uns noch lange beschäftigen wird.

Und Kuno, wenn er durch einen Tunnel fährt. Wird er auch an die Arbeiter denken und nicht nur an seinen Schatz und die Kleine? Und vielleicht einen neuen Song kreieren? Ich hätte ihm schon den Titel: TBM.

Ich danke allen, die für das Zustandekommen dieses aussergewöhnlichen Events verantwortlich waren.

Fabio

Impressionen vom Ausflug:

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